Dr. Morgenthaler: Es gibt im Wesentlichen eine Unterteilung in strukturelle und qualitative Zertifizierungskriterien. Bei den strukturellen wird zum Beispiel geprüft, ob qualifiziertes Personal in ausreichender Menge zur Verfügung steht und die geforderte technische Ausstattung des Standortes gegeben ist. Bei den qualitativen Kriterien werden vor allen Dingen Behandlungsergebnisse und da es sich beim Schlaganfall um eine zeitkritische Erkrankung handelt auch Behandlungszeiten bewertet.
Eine überregionale Stroke-Unit bietet ein höheres Versorgungslevel im Vergleich zu einer regionalen Stroke Unit. Insbesondere Patienten mit sehr schweren Schlaganfällen oder Gefäßverschlüssen und Gefäßeinengungen profitieren von einer Behandlung in einer überregionalen Stroke-Unit. In Rheinland-Pfalz sind den überregionalen Stroke-Units auch regionale Stroke-Units nachgeordnet. Komplexe Fälle können somit von der regionalen Stroke-Unit zur zuständigen überregionalen verlegt werden.
Dadurch, dass wir in Kaiserslautern Ausbildungsstätte der Deutschen Schlaganfallgesellschaft für die Weiterbildung zur „Stroke-Nurse“ (also zur spezialisierten Krankenpflege auf Schlaganfallstationen) sind, verfügen wir über exzellent ausgebildetes Personal. Grundsätzlich ist die gefäßeröffnende Therapie beim akuten Schlaganfall in Deutschland nur in einem bestimmten Zeitfenster zugelassen. Viele Patienten profitieren aber auch noch nach dieser Zeit von einer Gefäßeröffnung. Diese Patienten zu ermitteln, bedarf es allerdings einer besonderen Bildgebung. Die hochmoderne technischer Ausstattung (drei Kernspintomografen, DSA-Anlage) in Kaiserslautern ermöglicht uns die Identifizierung solcher Patienten und die umgehende Behandlung.
Eine Schlaganfallstation dient dazu, bei Patienten mit Störungen der Hirndurchblutung (Hirninfarkt, Hirnblutung, Thrombose der Hirnvenen) schnellstmöglich die Ursache zu ermitteln und eine zielgerichtete Behandlung einzuleiten. Daneben beginnen bereits auf der Schlaganfallstation innerhalb der ersten 24 Stunden Maßnahmen zur frühen Rehabilitation. Da es oft innerhalb der ersten Tage nach einer wie auch immer gearteten Durchblutungsstörung des Gehirns zu einer Verschlechterung kommt, werden Patienten auf Schlaganfallstationen nicht nur einer intensiven Monitorüberwachung sondern auch einer regelmäßigen klinischen Kontrolle unterzogen.
Die Behandlung von Durchblutungsstörungen des Gehirns ist immer auch eine interdisziplinäre Behandlung. Wir kooperieren zum Beispiel eng mit der Gefäßchirurgie und der Neuroradiologie, wenn es um die Behandlung von Engstellen der hirnversorgenden Gefäße geht. Ist ein Aneurysma, also eine Aussackung eines Hirngefäßes, Ursache für eine Hirnblutung, so ist dies möglicherweise neurochirurgisch zu versorgen. Oftmals liegt die Ursache für einen Hirninfarkt aber auch im Herzen begründet, sodass wir die Kardiologie hinzuziehen. Die Tatsache, dass wir neben der Universitätsmedizin in Mainz als einziges Haus in Rheinland-Pfalz alle diese Abteilungen unter einem Dach vereinen, ermöglicht eine besonders enge Zusammenarbeit. Ausdruck dieser vielfältigen Kooperation ist eine wöchentliche gemeinsame Fallbesprechung ein sogenanntes neurovaskuläres Board. Hier wird interdisziplinär die individuell beste Behandlung festgelegt.
Hier kann man in ganz akute Maßnahmen, die Vorbeugung und die frühe Rehabilitation unterteilen. Beim akuten Schlaganfall kann versucht werden durch Injektion eines Medikaments, eine sogenannte Thrombolyse, das Gefäß verstopfende Gerinnsel aufzulösen. Ist ein größeres Hirngefäß betroffen, kann zusätzlich oder als alleinige Maßnahme versucht werden mithilfe eines Katheters, der durch die Leiste eingeführt wird, das Gerinnsel aus dem Gefäß zu ziehen (eine sogenannte Thrombektomie). Bei allen Schlaganfällen versuchen wir durch eine frühe Sekundärprophylaxe eine Verschlechterung in den kritischen ersten Tagen zu verhindern. Dies geschieht durch Medikamente, die die Blutgerinnung, den Blutdruck und die Blutfette beeinflussen. Weiterer wesentlicher Teil der Schlaganfallbehandlung auf der Stroke-Unit ist die frühzeitige rehabilitative Behandlung von Defiziten durch Maßnahmen der Logopädie, Physio-und Ergotherapie.
Das Kerneinzugsgebiet der Stroke-Unit setzt sich zusammen aus Stadt und Landkreis Kaiserslautern, sowie den Landkreisen Donnersberg und Kusel. Zur Versorgung spezieller Gefäß-Notfälle bestehen allerdings auch Kooperationen mit den Kliniken in Meisenheim, Alzey, Pirmasens und Grünstadt.
Die Heilungschancen bei einem Schlaganfall sind zum einen sehr stark von der Zeitdauer bis zum Eintreffen in einem geeigneten Zentrum abhängig, zum andern aber auch vom Alter des Patienten und dem Schweregrad der Symptome zu Beginn. Als Faustregel kann gelten: Je schneller der Patient in einem geeigneten Zentrum behandelt wird, je geringer die Symptome zu Beginn sind und je jünger der Patient ist, umso größer sind die Chancen auf eine vollständige Heilung. Oftmals ereignen sich vor einem manifesten Schlaganfall sogenannte TIAs (transitorisch-ischämische Attacken). Es handelt sich hierbei um nur kurzfristige neurologische Ausfallserscheinungen. Diese Warnzeichen sollten unbedingt beachtet werden, da durch eine rechtzeitige Diagnostik und Behandlung ein späterer manifester Schlaganfall oft verhindert werden kann. So hat der Schlaganfall letztlich die besten Chancen, erst gar nicht stattzufinden.
Wir möchten die Vernetzung mit den Krankenhäusern der Region noch weiter ausbauen. Ziel ist es, Netzwerkstrukturen zu schaffen, die es uns ermöglichen, den Patienten, die davon profitieren, die in Kaiserslautern angebotene Spezialversorgung auch zur Verfügung zu stellen. Hierzu ist zum einen ein schneller Austausch von Bildbefunden notwendig, was wir mit den Kliniken in Alzey, Meisenheim, Grünstadt und Pirmasens bereits realisiert haben. Zum anderen gehören hierzu gemeinsame Fallbesprechungen unter Nutzung telemedizinischer Strukturen. An deren Umsetzung arbeiten wir gerade. Idealerweise entsteht hier am Ende ein neurovaskuläres Netzwerk, das den Patienten unserer Großregion eine optimale Versorgung bietet.