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Hilfreiche Übungen zur Bewältigung krankheitsbedingter Belastungen
Wie entscheidend das eigene Verhalten für unser Wohlbefinden ist, bringt folgende indianische Weisheit zum Ausdruck:
„Ein alter Indianer saß schon eine Weile mit seinem Enkel schweigend am Lagerfeuer. Dann begann der Alte mit sanfter Stimme: „In meinem Inneren kämpfen zwei Wölfe.“ Der Junge blickte ihn neugierig an. „Der eine ist der Wolf der Dunkelheit, der Angst, des Leides, des Misstrauens und der Verzweiflung.“ Stille. Dann fuhr er fort: „Der andere Wolf ist jener des Lichtes, der Liebe, der Lebensfreude und des Vertrauens.“ „Und wer von beiden gewinnt?“, wollte der Enkel wissen. Der Alte sah ihn an und lächelte: „Der, den ich füttere.“
(zitiert nach: T. Gruber: Therapie-Tools Ressourcenaktivierung. Beltz, 2020)
Im Folgenden haben wir einige Übungen und Verhaltensweisen aufgelistet, die helfen sollen, den Wolf zu füttern, der zu einer besseren Lebensqualität beiträgt. Oder, wissenschaftlicher ausgedrückt, handelt es sich dabei um Strategien, die ein erfolgreiches Coping ermöglichen sollen. Coping meint das Bemühen von Menschen, bestehende Belastungen gedanklich, gefühlsmäßig und durch ihr Handeln abzufangen und so zu meistern.
Freudetagebuch
Führen Sie ein Freudetagebuch! Viele von uns kennen Tagebücher als etwas, dem man seine Geheimnisse und Sorgen anvertraut. Es gibt auch eine andere Form von Tagebuch, die unseren Blick bewusst von Sorgen weg lenken möchte: Das Freudetagebuch.
In schwierigen Lebenslagen sind wir oft so auf die Probleme fokussiert, die wir gerade haben, dass wir das gleichzeitig vorhandene Positive übersehen. Die Schwierigkeiten erscheinen so übermächtig, dass unsere Aufmerksamkeit ganz davon in Anspruch genommen ist. Unser Gehirn schafft nämlich nur eine bestimmte Menge von Informationen bewusst zu verarbeiten. Wenn diese Kapazität schon für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Negativem besetzt ist, nehmen wir freudige Dinge nicht wahr. So kann schlimmstenfalls der Eindruck entstehen, dass es gar nichts Erfreuliches gegeben hätte. Wenn Sie Ihr Gehirn aber genau auf die Wahrnehmung von Freude einstellen, also dafür aufmerksam sind, werden Sie sehen, dass es auch diese positiven Momente glücklicherweise gibt. Diese bewusste Aufmerksamkeitslenkung kann helfen, Ängste zu reduzieren. Denn jedes Mal, wenn wir an einen schönen Moment denken, spüren wir auch wieder die angenehmen Gefühle, die damit verbunden waren, wie Überraschung, Zufriedenheit oder Freude.
Kaufen Sie sich ein schönes Büchlein, in das Sie jeden Abend mindestens drei Freuden eintragen, die Sie am Tag erlebt haben. Mehr dürfen es natürlich immer sein! Aber geben Sie nicht auf zu überlegen, bevor Sie nicht drei Beispiele gefunden haben. Sie werden Sie finden – aber vielleicht braucht Ihr Gehirn ein wenig Übung in dieser besonderen Form der Wahrnehmung.
Wichtig ist, dass das auch ganz kleine Freuden sein können, die Sie eintragen in Ihr Büchlein, wie beispielsweise der nette Nachbar, der heute so freundlich gegrüßt hat, der Gesang der Vögel vor dem Fenster oder eine lustige Geschichte, die Sie gelesen haben.
Probieren Sie es einfach mal aus und seien Sie nicht überrascht, wenn Sie feststellen, dass sich Ihr Fokus auf die Dinge nach und nach zum Positiven verändert.
Eine Handvoll Glück
Sicher haben Sie als Kind bei verschiedenen Gelegenheiten Ihre Hand auf ein Blatt Papier gelegt, mit einem Stift die Umrisse nachgefahren und so Ihre Hand verewigt. Bei der folgenden kleinen Übung sollen Sie das genauso wieder tun und damit Anlässe zur Freude, die es an diesem Tag bei Ihnen gegeben hat, für sich sichtbar machen.
Nehmen Sie also ein Blatt Papier und einen Stift und umfahren Sie mit dem Stift Ihre Hand, die Sie auf das Papier gelegt haben. Nun denken Sie über die Ereignisse des heutigen Tages noch einmal nach und notieren Sie in jedem Ihrer Finger auf dem Blatt ein Ereignis, das ein Grund zur Freude war. Ähnlich wie beim eben beschriebenen Freudetagebuch können das ganz kleine Freuden sein: Die Sonne, die durchs Fenster kommt, der Lieblingspulli, den Sie heute tragen oder eine liebe Nachricht auf dem Handy.
Jedes einzelne Beispiel in einem Ihrer Finger steht für einen kleinen Glücksmoment. Wenn Sie nun also noch einmal auf die Zeichnung Ihrer Hand und die darin notierten Beispiele schauen, haben Sie eine Handvoll Glück vor sich.
(In Anlehnung an: „Eine Handvoll Ressourcen“ aus: M. Deubner-Böhme, U. Deppe-Schmitz (2018): Coaching mit Ressourcenaktivierung. Ein Leitfaden für Coaches, Berater und Trainer, Göttingen: Hogrefe.)
Waldspaziergang
Gehören Sie auch zu den Menschen, die schon erkannt haben, welche Kraft wir in der Natur schöpfen können? Der aktuelle Trend „Waldbaden“ greift ein eigentlich altes Wissen um die wohltuende Wirkung des Waldes auf und setzt dies bewusst zur Förderung des Wohlbefindens ein. Es geht um das bewusste Spazierengehen im Wald und das ebenso bewusste Wahrnehmen der Atmosphäre dort. Dabei können wir Stress abbauen, die Gedanken abschalten und auch neue Energie schöpfen.
Machen Sie möglichst regelmäßig einen Spaziergang durch den Wald und nehmen Sie mit allen Sinnen wahr, was um Sie herum ist. Was hören Sie? Was sehen Sie? Welche Gerüche umgeben Sie? Was nehmen Sie mit Ihrem Tastsinn wahr, also beispielsweise unter den Fußsohlen oder über die Gesichtshaut?
In Japan wird Waldbaden unter dem Begriff Shinrin Yoku schon seit Jahrzehnten praktiziert, ist ein eigenes wissenschaftliches Fach an Universitäten und wird offiziell im Rahmen der Gesundheitsvorsorge auf Rezept verordnet.
Inzwischen wissen wir, dass die positive Wirkung des Waldes unter anderem auf Botenstoffe zurückzuführen ist, die die Bäume produzieren – sogenannte Terpene. Diese nehmen wir beim Einatmen auf und sie wirken sich positiv auf unser seelisches und körperliches Wohlbefinden aus.
Wenn Ihnen das spanisch vorkommt, können Sie sich auch einfach sagen: „Ich mache heute eine Achtsamkeitsübung im Wald und baue dadurch Stress ab.“
Achtsamkeit
Der Begriff der Achtsamkeit beschreibt eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Es geht darum, aufmerksam und bewusst jede innere und äußere Wahrnehmung im gegenwärtigen Moment zu registrieren, ohne diese zu bewerten.
Hier haben wir Übungen für SIe vorbereitet, die Ihnen zu mehr Achtsamkeit verhelfen können.
Wohlfühl-ABC
„Das menschliche Gehirn ist nicht in der Lage, ein hohes Angst- und Stressniveau aufrechtzuerhalten, während es kognitive Suchprozesse ausführt. Wenn wir das Gehirn zwingen, solche Suchprozesse durchzuführen, können wir damit unmittelbar Einfluss auf unser momentanes Angst- /Stress-System nehmen.
Wählen Sie spontan einen Buchstaben aus dem Alphabet aus, z. B. den Anfangsbuchstaben Ihres Vornamens. Suchen Sie zu diesem Buchstaben 3 bis 5 Begriffe, Dinge, Tätigkeiten, Erlebnisse etc., die für Sie mit Wohlbefinden verbunden sind, z. B. Apfelkuchen, Andalusien, Alpenveilchen, Angeln… . Fahren Sie so mit einem weiteren, zufällig gewählten Buchstaben fort.
Sie werden merken, dass dies nicht einfach ist. Sie müssen Ihr Gehirn dabei schon anstrengen, aber das genau ist der Zweck. […] Spätestens beim dritten oder vierten Buchstaben erleben Sie, dass Ihr momentaner Angst- / Stresspegel gesunken ist.“
(aus: C. Diegelmann, M. Isermann, T. Zimmermann: Therapie-Tools Psychoonkologie, Beltz 2020.)
Ressourcen
Das Erkennen und Nutzen eigener Ressourcen, also innerer Kraftquellen, ist ein wichtiger Aspekt zur Bewältigung der mit einer Krebserkrankung verbundenen Anforderungen und Schwierigkeiten. Wissen Sie, was Ihre Ressourcen sind? Oder gehören Sie zu den Menschen, die sich noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht haben? Das geht tatsächlich vielen Menschen so. Wir können unterscheiden zwischen äußeren Ressourcen (z. B. Wohnung, Geld, Natur, Tiere, Musik), sozialen Ressourcen (z. B. Familie, Freunde, gute Nachbarschaft, Vereine / Gruppen) und persönlichen Ressourcen (z. B. Eigenschaften, Begabungen, Kompetenzen, Erinnerungen). Aus jedem dieser Bereiche können wir Kraft in schwierigen Situationen schöpfen.
Die folgenden Impulsfragen sollen Ihnen helfen, Ihre Ressourcen zu erkennen:
- In welchen Momenten, an welchen Orten oder bei welchen Tätigkeiten haben Sie bisher die Erfahrung gemacht, dass Sie alle Sorgen vergessen? – Das sind Ihre äußeren „Krafttankstellen“.
- Welche Menschen in Ihrem Umfeld sind Ihnen wichtig? Wem fühlen Sie sich besonders verbunden?
- An welchen Zielen und Werten richten Sie Ihr Leben aus?
- Welche schönen Momente aus Ihrem bisherigen Leben fallen Ihnen ein? Welche lustigen Geschichten? Was hat Ihnen Freude gemacht?
- Wie bei jedem Menschen gab es sicher auch bei Ihnen schon schwierige Momente und Krisensituationen im Leben. Wie ist es Ihnen gelungen, diese zu bewältigen? Was hat dabei geholfen? Wie können Sie das in der aktuellen Situation wieder für sich nutzen?
- Was sind Ihre ganz persönlichen Stärken und Begabungen? Was können Sie gut?
- Was würde Ihre beste Freundin / Ihr bester Freund auf diese Frage antworten? (Fragen Sie sie oder ihn ruhig mal!)
Am besten schreiben Sie die Gedanken, die Ihnen zu den jeweiligen Punkten gekommen sind, auf eine Ressourcen-Liste. Führen Sie sich deren Inhalt immer wieder vor Augen, denn so haben Sie stets Zugang zu Ihren Kraftquellen und lenken Ihre Aufmerksamkeit immer wieder darauf!
Vielen Menschen fällt es leichter, sich Dinge zu merken, wenn sie nicht nur aufgelistet sondern bildhaft dargestellt sind. Das ist dadurch erklärbar, dass nur eine unserer Gehirnhälften für das logische Denken zuständig ist und die andere die Bilder verarbeitet. Um beide Hälften zu nutzen, können Sie also auch das, was Sie auf der Liste gesammelt haben, in einem Ressourcen-Bild darstellen.
Malen Sie einen Baum auf ein Blatt Papier oder drucken Sie sich eine Vorlage eines Baumes aus dem Internet aus, den Sie dann farblich gestalten. An die Wurzeln schreiben Sie die Menschen, Dinge und Orte, aus denen Sie Kraft ziehen. An den Stamm, den starken Teil des Baumes, schreiben Sie Ihre persönlichen Stärken und in der Krone des Baumes haben die schönen Erinnerungen Platz sowie die Krisen, die Sie bisher in Ihrem Leben schon bewältig haben.
Ressourcenstärkung durch Imagination
Sind Sie jemand, der gut mit inneren Bildern arbeiten kann? Dann nutzen Sie Imaginationsübungen als Ressource, also als hilfreiches Mittel, um unangenehme Einflüsse zu reduzieren und Ihre inneren Kräfte zu stärken. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass wir durch das innerliche Vorstellen einer Situation die gleichen körperlichen und gefühlsmäßigen Reaktionen erzielen können, wie wir es in der real erlebten Situation würden.
Wir haben auf der Seite bei unseren Entspannungsübungen auch einige Imaginationsübungen als Audiodatei für Sie bereitgestellt. Wenn Sie aber lieber Ihren eigenen positiven Bildern nachgehen wollen, können Sie vielleicht folgende Anregungen nutzen:
Gehen Sie in Ihren Gedanken an einen schönen Ort in der Natur, vielleicht den Wald oder Ihren Lieblingspark. Suchen Sie dort vor Ihrem inneren Auge den größten, stattlichsten Baum und sehen Sie ihn genau an. Betrachten Sie die sattgrünen Blätter, den starken Stamm mit seiner Rinde und die kräftigen Wurzeln. Über die Blätter nimmt der Baum das Sonnenlicht auf, über die großen Wurzeln holt er sich alle Nährstoffe aus dem Boden, die er zum Leben braucht.
Nun gehen Sie in Gedanken in eine ähnliche Position wie der Baum. Stellen Sie sich vor, wie Sie Kräftigendes und Stärkendes in sich aufnehmen. Was wäre das, was Sie gerade für sich brauchen? Entspannung, Zuversicht, ein ermutigender Gedanke? Spüren Sie Ihre Wurzeln, holen Sie sich über sie, was Sie gerade brauchen und nehmen Sie es mit in Ihren Alltag.
Positive Selbstinstruktion – Gedanken, die stärken
Die Bewältigung einer Krise ist für diejenigen Menschen leichter, die erkennen, dass sie über ihre Gedanken Einfluss auf ihre Gefühle nehmen können. Als dritter Punkt gehört das Verhalten noch dazu. In der Psychologie wird der Zusammenhang zwischen Denken – Fühlen – Handeln oft als Dreieck dargestellt, das verdeutlichen soll, dass diese drei Aspekte untrennbar und wechselseitig miteinander verknüpft sind. Wenn wir uns also unsere Gedanken und deren Auswirkung auf Gefühle und Verhalten bewusst machen, können wir durch gezielte Steuerung der Gedanken positive Gefühlserlebnisse schaffen.
Hatten Sie schon einmal einen Ohrwurm? Also eine Liedzeile, die sich so in Ihrem Kopf festgesetzt hat, dass Sie sie immer wieder gesummt oder an sie gedacht haben? Das passiert einfach so nebenbei. Wir können uns aber genauso bewusst etwas aussuchen, woran wir immer wieder denken wollen.
Zur Bewältigung schwieriger Situationen eignet sich ein positiver Gedanke, den wir bewusst wählen, weil er positive Gefühle hervorruft und uns zu hilfreichen Verhaltensweisen ermutigt.
Finden Sie für sich also eine positive Formulierung, einen „Mutmachsatz“. Es ist wichtig, dass Sie eigene Worte dafür verwenden, ansonsten wirkt der Satz immer fremd und „aufgesetzt“. Verstehen Sie daher die folgenden Sätze bitte als Anregung und verändern Sie sie, bis es für Sie passt!
- „Ich habe die Kraft, das durchzustehen.“
- „Ich habe schon anderes geschafft.“
- „Wenn andere das bewältigt haben, kann ich es auch.“
- „Ich lasse mich nicht unterkriegen. Das wäre doch gelacht!“
- „Es gibt auch im Moment viele gute Dinge in meinem Leben.“
- „Ich vertraue darauf, dass die Behandlung hilft.“ • „Ich bin in guten Händen.“
- „Ich mache einen Schritt nach dem anderen.“
Wenn Sie beginnen, mit solchen positiven Selbstinstruktionen zu arbeiten, kann es sein, dass Sie zunächst das Gefühl haben, sich etwas einzureden. Das ist kein Wunder, denn Sie lassen Ihr Gehirn gerade neue Gedanken denken und keine, die automatisch kommen. Mit stetiger Übung und Wiederholung wird es besser. Lassen Sie sich also einfach etwas Zeit.
Vielleicht möchten Sie aber auch Ihre Gedanken an jemandem orientieren, der die Erkrankung Krebs ebenfalls meistern musste. Auch dadurch können wir uns selbst Mut machen. Möglicherweise kennen Sie jemanden persönlich, bei dem das so ist. Natürlich gibt es auch bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Eine Frau, die eine ganze Reihe von Krisen in ihrem Leben gemeistert hat, ist die Pianistin Alice Herz-Sommer. Als Jüdin überlebte sie das Konzentrationslager, verlor dort aber ihren Mann. Mit 83 Jahren erkrankte sie an Krebs und mit 98 Jahren musste sie den plötzlichen Tod ihres Sohnes verkraften. In einem Interview nannte sie eine für sie hilfreichen Strategie: „Ich weiß um die schlimmen Dinge im Leben, doch ich schaue immer nur auf die guten. Deshalb bin ich auch so alt geworden.“
Fragen nach dem Sinn
Mit der Diagnose Krebs sind für viele Betroffene Fragen nach dem Sinn des Lebens verbunden. Je weiter die Krebserkrankung vorangeschritten ist, desto dringlicher werden sie oft. Dabei geht es sowohl um den Sinn des Lebens im Allgemeinen als auch um den des persönlichen Lebens.
Hier haben wir weitere Informationen zur Frage nache dem Sinn für Sie vorbereitet.