Was ist Selbstwert?

Mit Selbstwert ist der Wert gemeint, den sich eine Person selbst zuschreibt, er ist also völlig subjektiv. Personen ziehen ihren Selbstwert aus verschiedenen Bereichen. Dazu gehören zum Beispiel die Familie, der Freundeskreis, eigene Leistungen (z.B. im Beruf), Eigenschaften, Fähigkeiten, Aussehen, Tugenden, spirituelle Werte usw. Für jeden Mensch sind dabei die verschiedenen Bereiche unterschiedlich wichtig.

Selbstwert ist ein Gefühl!

Wie dieses Gefühl Selbstwert für den einzelnen begründet wird (Bewertungsstil), ist sehr unterschiedlich und beeinflusst wiederum dieses Gefühl: Ein Urteil über die eigene Person kann entweder verallgemeinernd (global) ausfallen (z.B. „Ich bin ein kompletter Versager“), oder sich auf einzelne Teilbereiche beziehen („Handarbeiten sind nicht mein Fall, dafür liebe ich es zu lesen“). Der Maßstab kann an einem Ideal angelegt werden („Nur wenn ich die Tippgeschwindigkeit des deutschen Meisters erreiche, bin ich mit meiner Tipp-Leistung zufrieden“), oder an anderen Personen („Nur wenn ich so schnell tippe wie meine Kollegin, bin ich mit meiner Tipp-Leistung zufrieden“) oder an sich selbst („Wenn ich in dieser Woche mehr Wörter in der Minute schaffe als in der letzten Woche, bin ich mit meiner Tipp-Leistung zufrieden“). Die letztgenannten Vorher-Nachher-Vergleiche der eigenen Person sind dabei die gesündeste Art, Vergleiche anzustellen. Denn Vergleiche mit anderen Personen oder Idealen sind häufig unrealistisch und führen zu Frustration.

Selbstwert und psychische Gesundheit

Der Selbstwert spielt für die psychische Gesundheit eine große Rolle. Folgen eines geringen Selbstwerts können schlechte Stimmung, innere Leere, Probleme mit Mitmenschen etc. sein, und in Verbindung mit anderen Faktoren auch zu psychischen Störungen führen (soziale Ängste, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen etc.). Umgekehrt kann auch eine psychische Störung zu einem geringen Selbstwert führen. Ein positiver Selbstwert dagegen erhöht die eigene Widerstandskraft, und geht mit einer gesunden Lebensführung einher.

Wie kann ich meinen Selbstwert stärken?

Die Selbstbewertung hat für den einzelnen emotionale Konsequenzen. Negative Gefühle wie Wut, Ärger und Kränkung, Neid, Eifersucht und Missgunst, Angst, Schuld, und Scham oder Peinlichkeit können die Folge von Selbstabwertung bzw. eines niedrigen Selbstwerts sein. Wir müssen lernen diese negativen Gefühle auszuhalten und damit umzugehen. Dagegen ist ein gesunder Selbstwert mit positiven Gefühlen assoziiert. Nur durch die aktive Änderung von Verhaltens- und Gefühlsgewohnheiten kann der Selbstwert wachsen. Folgende Techniken können Sie anwenden, um Ihren Selbstwert zu stärken:

Achtsamkeitsübungen

Achtsamkeitsübungen kommt auch hier ein besonders hoher Stellenwert zu. Es geht darum zu lernen, sich anzunehmen und zu akzeptieren. Durch eine nicht-wertende Haltung soll erlernt werden, die Umwelt und sich selbst wahrzunehmen und anzunehmen. Erst durch (vollständige) Akzeptanz können wir das, was wir wahrnehmen, auch verändern. Ein Übungs-Beispiel wäre: „Ich habe diese Eigenschaft. Ich als Person bin jedoch mehr als nur diese Eigenschaft.“ Hier finden Sie weitere Achtsamkeitsübungen!

Selbstfürsorge

  • Ich nehme mir Zeit für gemütliche und gesunde Malzeiten
  • Ich trinke regelmäßig Wasser, mindestens 2 Liter am Tag
  • Ich plane regelmäßig Bewegung ein, z. B. Yoga-Übungen oder Laufen, am besten morgens
  • Ich sorge für ausreichenden Schlaf
  • Ich ziehe mir schöne Kleider an, auch wenn ich zu Hause bin
  • Ich nehme mir jeden Tag etwas vor und erledige es
  • Ich plane regelmäßig Pausen ein

Übung "Fairer Blick"

Finden Sie bei einem guten Freund zwei positive Eigenschaften. Dann versuchen Sie, für sich selbst zwei positive Eigenschaften zu finden.

Tagesrückblick

Schreiben Sie sich jeden Abend auf, was Ihnen heute gelungen ist. Das kann auch eine Kleinigkeit sein.

Bohnen-Übung

Eine Handvoll getrocknete (Kaffee-)Bohnen in eine Hosentasche stecken. Immer wenn Ihnen über den Tag etwas Positives gelingt, wird eine der Bohnen in die Hosentasche der anderen Seite gesteckt. Am Ende des Tages können die Bohnen gezählt werden, was beim Tagesrückblick der realistischen Einschätzung hilft.

Spiegel-Übung

Stellen Sie sich vor einen großen Spiegel. Nehmen Sie eine aufrechte und starke Körperhaltung ein (Schultern nach hinten unten, Brust raus, Bauch rein, Gesäß anspannen). Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Körperteile, die Ihnen gut gefallen.

Ermutigen Sie sich selbst!

Schreiben Sie sich ermutigende Sätze auf Postkarten und stellen Sie sie auf (z.B. „Ich bin ein wertvoller und liebenswerter Mensch“ oder „Ich habe viele gute Eigenschaften und zeige diese auch“). Immer wenn Sie daran vorbei gehen, lesen Sie sie.

Lächeln Sie!

Auch wenn Sie sich dabei zunächst komisch fühlen: Lächeln Sie! Das Gehirn fängt daraufhin an, Glückshormone zu produzieren, was wiederum dazu führt, dass man sich wirklich besser fühlt. Vor dem Spiegel ist die Übung besonders wirksam.

Verwöhnen Sie sich selbst!

Verwöhnen Sie sich z. B. mit einem Geschenk, einem Bad, einer Schönheitsbehandlung oder einer Mußestunde.

Kommunikationshilfen im Umgang mit anderen Menschen finden Sie hier.

Schädliche (dysfunktionale) Grundannahmen über uns selbst

Viele Annahmen über uns selbst haben wir im Laufe unseres Lebens von anderen Menschen um uns herum gelernt und übernommen. Frühe Lebenserfahrungen, Erziehung und Kultur haben uns geprägt. Der Ursprung dieser „gelernten“ Annahmen und Bewertungen über uns selbst lässt sich oft zurückverfolgen bis in die Kindheit, wo wichtige Bezugspersonen Urteile über uns kommuniziert haben. Diese beeinflussen unser Bild von uns selbst bis ins heutige Leben. Wenn diese Urteile negativ gefärbt waren, können sie uns bis heute in unserem Alltag behindern. Oft sind uns diese „Glaubenssätze“ nicht bewusst. Sie können jedoch identifiziert und auch verändert werden, indem man versucht, positive und wertschätzende (Gegen-) Annahmen zu formulieren. 

Beispiele für solche dysfunktionalen Gedanken sind: „Ich mache mich lächerlich“, „Sie/Er mag mich nicht“, „Um etwas zu bitten ist aufdringlich und bedeutet, dass ich schwach bin“, „Eine Bitte darf ich nicht ablehnen, sonst bin ich egoistisch und böse“, „Die anderen denken, ich bin unfähig und dumm“, „Ich kann das nicht und mache es sicher falsch“.

Förderliche Gegengedanken

  • „Ich darf um etwas bitten“
  • „Es ist in Ordnung, wenn ich etwas brauche“
  • „Ich muss nicht immer allen Menschen gefallen“
  • „Ich muss nicht immer Ja sagen, um gemocht zu werden“
  • „Ich stehe zu meinen Grenzen“

Folgende tägliche Gedanken-Übung kann hilfreich sein:

  • Dysfunktionaler Gedanke: „Ich bin absolut unfähig.“ Gegengedanke: „Heute ist mir … gelungen.“
  • Dysfunktionaler Gedanke: „Ich bin hässlich.“ Gegengedanke: „Ich pflege täglich … z. B. meine Haare, damit sie schön sind.“
  • Dysfunktionaler Gedanke: „Ich bin faul und träge.“ Gegengedanke: „Ich habe heute … z. B. meine Achtsamkeitsübung gemacht.“

Literatur:

Bohus/Wolf: Interaktives SkillsTraining fur Borderline-Patienten. c Schattauer Verlag 2009

Die „4 Säulen“ des Selbstwerts

Dieses Modell (siehe Abbildung) zeigt vier wichtige Bereiche des Selbstwertes, auch „vier Säulen“ genannt. Die erste Säule ist die Selbstakzeptanz, sie beinhaltet Achtung, Selbstliebe und Wertschätzung der eigenen Person unabhängig von Leistungen, Fähigkeiten und sozialen Erfolgen, also auch die Akzeptanz von negativen Aspekten des Selbst. Die Säule des Selbstvertrauens beinhaltet eine positive Einstellung zu den eigenen Fähigkeiten und Leistungen, wozu auch das Durchhaltevermögen und das Von-etwas-ablassen-können gehört, also das Kennen der eigenen Grenzen. Die soziale Kompetenz beinhaltet das Erleben von Kontaktfähigkeit zu anderen Menschen, sich auch schwierigen sozialen Situationen gewachsen fühlen. Das soziale Netz beschreibt das Eingebunden-Sein in positive soziale Beziehungen. Alle gemeinsam bilden den Selbstwert, also den Wert, den eine Person sich selbst gegenüber empfindet.

Nach Friederike Potreck-Rose/Gitta Jacob: Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen. Psychotherapeutische Interventionen zum Aufbau von Selbstwertgefühl, 4. Aufl. 2007 (Klett-Cotta Verlag)

Für jeden Menschen sieht eine solche Selbstwert-Konstruktion anders aus, die individuelle Gewichtung der einzelnen Bereiche wird hier durch die unterschiedliche Dicke der Säulen symbolisiert.
Ist einer der vier Bereiche geschwächt oder weniger gut ausgebildet, wird der Selbstwert destabilisiert oder er gerät „ins Wanken“. Die obige Abbildung soll hier ein anschauliches Beispiel für eine mögliche Beeinträchtigung des Selbstwerts darstellen.